Aus den AWO Seniorenwohnanlagen: Titisee-Neustadt

Herzkranker Hochschwarzwälder: eine Maschine als Lebensmotor

Peter Saum war ein Jahr an ein Herzunterstützungssystem angeschlossen – mit Optimismus und Hilfe hat er die schwere Zeit gemeistert

Vier Bahnen schwimmen ohne Pause. Peter Saum kann kaum glauben, dass er das geschafft hat. Vor wenigen Monate war so etwas undenkbar. Zu schwer herzkrank war der 61-Jährige. Sein Lebensmotor war eine Maschine – aber auch sein unerschütterlicher Optimismus. Sonst hätte er es wohl nicht geschafft, strahlend und kräftig im Aufenthaltsraum der Neustädter AWO-Seniorenanlage zu sitzen. Seine Leidensgeschichte ist ihm nicht anzusehen.

Sie beginnt 2010 mit einer Herzmuskelentzündung, zwei Jahre später erleidet Saum einen schweren Herzinfarkt, bekommt einen Schrittmacher eingesetzt. Ein Bakterienbefall macht dem Rötenbacher zu schaffen, er leidet außerdem an einer Immunschwäche. „Es ist mehr und mehr bergab gegangen“, erzählt er. Saum lebt getrennt von seiner Frau. Er will niemandem zur Last fallen, merkt aber auch, dass er Hilfe im Alltag braucht, sich Sicherheit wünscht. So zieht Peter Saum vergangenes Jahr in eine der 30 Wohnungen der Seniorenwohnanlage – und ist dort mit seinen damals 60 Jahren eines der Küken unter den Bewohnern.

Zwei Wochen, nachdem er den Schlüssel für sein neues Zuhause bekommen hat, muss er ins Krankenhaus. Dort eröffnen ihm die Ärzte, dass seine Herzleistung noch nur 25 Prozent beträgt. „Ich wollte nicht ewig auf der Intensivstation liegen. Ich wollte leben“, sagt Peter Saum. Ihm wird am 14. Mai 2019 ein Herzunterstützungssystem eingesetzt. Es versetzt Saums Herz regelmäßig einen elektrischen Stoß und hilft ihm, zu schlagen. Ein dünnes Kabel, welches am Bauch austritt, verbindet das Gerät mit Steuereinheit und Akkus außerhalb des Köpers. Diese lebenswichtige Stromversorgung muss Saum nun ständig bei sich tragen.

Zweieinhalb Kilo wiegen die Akkus, die alle 15 Stunden geladen werden müssen. Sie dürfen nicht nass werden, stören beim Schlafen. Dazu kommt die Angst, dass ein Systemfehler das Lebensende bedeuten könnte. „Es war eine große Umstellung“, sagt Saum – und lächelt. Weil er an die Handtasche denken muss, in welcher er die Akkus anfangs bei sich trug. „Die hat mir gar nicht gefallen.“ Saum besorgt sich ein Hemd mit eingenähten Taschen, in denen die Akkus verschwinden. Doch die Einschränkungen bleiben.

Auf die Frage, wie er sich seinen Lebensmut bewahrt hat, weiß Peter Saum nicht sofort eine Antwort. Es habe sie natürlich gegeben, die Tiefs. „Doch ich wollte sie nicht zulassen.“ In der Natur hat er Kraft geschöpft. Er will, er darf sich nicht hängen lassen. „Ich schaffe das“, habe er sich jeden Tag gesagt. Halt gibt Peter Saum die Freundschaft zu Metzgermeister Martin Fritz aus Eisenbach. Bei ihm im Betrieb erledigt er kleine Aufgabe, die Tage und Wochen bekommen so eine Struktur. „Und natürlich sind da viele, viele Menschen, die mir geholfen haben“, sagt Saum. Als er sie aufzählt, kommt er vor Rührung ins Stocken: Katrin Groß von der AWO-Wohnanlage, das Team der Sozialstation Hochschwarzwald, sein Hausarzt Winfried Grohmann, Ärzte und Pflegepersonal in den Krankenhäusern.

Sie alle tragen Peter Saum durch diese schwere Zeit. „Und dann ist was passiert, was ich ein Wunder nenne – mein Herz ist wieder aufgewacht“, sagt er. Bei einer Untersuchung Mitte des Jahres wird festgestellt, dass das Organ sich erholt hat. Im Juli, wenige Tage nach Saums 61. Geburtstag, wird das Unterstützungssystem entfernt. „Ich habe ein zweites Leben bekommen.“ Wieder Auto fahren zu dürfen, gehört zur neu gewonnen Freiheit, er genießt es, unterwegs zu sein, es sich gut gehen zu lassen. „Ich habe zugenommen“, sagt Saum und streicht sich über den Bauch. Und er hat unbändige Lust auf Wasser. Vier Bahnen schwimmen ohne Pause – wer hätte das gedacht. [Quelle: BZ Online v. 14.10.2020]